Jedes Jahr zu Weihnachten begegnet einem die gleiche, hoch heidnische und daher ja eigentlich auch nur bedingt in die festliche Zeit passende Frage: Wer bringt denn nun eigentlich die Geschenke – der Weihnachtsmann oder das Christkind?
Nach zähen Minuten des üblicherweise regionalkulturell eingefärbten, zunehmend hitzigen Austausches zu diesem Thema wird für gewöhnlich mindestens einer der Kombattanten – Verzeihung, Kommunikatoren – die auch nicht mehr ganz frische, aber zumindest konsensfähige These der Zusammenarbeit der beiden Agenten der Weihnacht hervorholen: Weil der Weihnachtsmann ja an Heiligabend so irre viel zu tun hat, hilft ihm halt das Christkind in ein paar deutschsprachigen Regionen aus. Dennoch, so die unvermeidbare Statistik, habe er nur 0,000236 Sekunden pro Kind und/oder Kamin Zeit, was ja nun auch wirklich in genug Stress ausarte.
Nachgelagerte Diskussionen halten sich dann zum Glück meist in Grenzen. So gehört offenbar zu den weniger interessanten Themen solche Fragen wie: Wie kommt das Christkind dann eigentlich an die Geschenke – kauft es sie dem Weihnachtsmann auf eigene Rechnung ab, der sie ja bekanntlich am Nordpol selbst herstellt (bzw. von einer Armee offenbar leibeigener Elfen herstellen lässt)? Und wie viele PlayStations produziert eigentlich so ein Hilfsarbeiter-Elf am Tag? Und weiß Sony das? Und, vor allem, warum müssen wir eigentlich trotzdem mindestens zwei Adventssamstage beim Shopping in Innenstädten verbringen, die der Katastrophenschutz eigentlich wegen Überfüllung sperren müsste?
Aber eine Frage kommt dann doch immer noch hinterher – die nach der eigentlichen Identität des Christkinds. Hier treffen zwei Schulen aufeinander: Die eine besagt, das Christkind sei halt irgend so ein Blag; die andere vertritt recht vehement die Ansicht, es handele sich dabei vielmehr, natürlich, unwiderruflich, selbsterklärend, um eben den frisch geborenen, oder zumindest noch weit präpubertären Heiland selbst, das Baby Jesus.
Diese Theorie hat natürlich mehrere schwerwiegende Probleme. Zunächst mal laufen frisch geborene Babies seltenst durch die Gegend (es sei denn, im verwirrten Geist fiktionaler amerikanischer Anwältinnen aus den ’90ern), und erst recht schleppen sie keine Geschenkpakete mit sich herum. Zugegeben, der inkarnierte Herrgott selbst hätte das zweifellos bewerkstelligen können, wenn er denn gewollt hätte. Aber Beschreibungen eines solchen Verhaltens sind eben nicht überliefert, und auf nicht vorhandene Überlieferungen lassen sich schlecht Traditionen aufbauen. (Und vielmehr war es doch das Jesuskind, das beschenkt wurde; das schildern die Weihnachtsevangelien ja nun in einer an Product Placement grenzenden Detailverliebtheit.
Zudem, wenn ich mich recht entsinne, musste Familie Christus im weiteren Verlauf doch ziemlich überstürzt nach Ägypten aufbrechen, und ihre Spur verliert sich für ziemlich die gesamte Kindheit Jesu, was weitere Traditionsstiftung mit kindlicher Symbolik auch nicht eben wahrscheinlicher werden lässt.
Jesus-als-Christkind-Verfechter müssen einen weiteren Schlag hinnehmen, wenn man sie darauf hinweist, dass das Christkind doch üblicherweise als blond gelocktes kleines Mädchen dargestellt wird. Vielleicht also, so die zugegeben auch nicht minder spekulative These der plötzlich vorne liegenden Irgend-so-ein-Gör-Fraktion, soll das Christkind jemanden darstellen, der das Jesuskind beschenkt hat. Gut, nicht mit diesen gehypeten Statusobjekten wie Myrrhe, sonderlich vielleicht mit… Ziegenkäse. Oder Melkfett. Oder einer… Lehmskulptur. Oder was man halt so für Beschenkungsnotfälle im Haushalt hatte in Römisch-Palästina.
Keine Ahnung, ob Geschenke bringende Mädchen in der Bibel erwähnt werden, aber man kann sich leicht vorstellen, dass sie sie im Lektorat einfach rausgestrichen worden sind (und sie sich umgekehrt einfach wieder dazudenken). Ein Zimtsterne austeilendes Heiland-Baby hingegen hätte mit Sicherheit Erwähnung gefunden.
Und schließlich singen wir – okay, nicht „wir“, aber die ebenso unschuldigen wie nervigen Vorschulkinder beim Krippenspiel – ja nicht nur „Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Frauen“ (eine aufzählende Formulierung, gegen die ich in der Form auch mal schärfsten Protest einlegen würde, wenn ich ein Hirte wäre), sondern auch „Ihr Kinderlein, kommet“. Und wenn man sich so überlegt, mit welchem Enthusiasmus Kinder einem irgendwelches unbrauchbare Zeug schenken, wird schon eins dabei gewesen sein, dass mindestens ein paar Blümchen mitgebracht hat.
Nun ist der Autor von „Ihr Kinderlein, kommet“ sicher nicht so autoritativ wie das Neue Testament (obwohl man auch darüber streiten könnte), aber das sind halt die Argumente, die unsteten Agnostikern wie mir nicht nur zur Verfügung stehen, sondern in den heutigen Zeiten der unerreichbar niedrigen allgemeinen Bibelfestigkeit meist auch zum Gewinn der Debatte völlig genügen. Und zu gewinnen ist schließlich die Hauptsache, der wahre Geist der Weihnacht!
… nein, das Letzte war nur Spaß! Frohe Weihnachten! (Und im Frühling sprechen wir uns dann zum Thema: Hasen und Eier.)